Lobeda,
wer bist du?
Es besteht kein Zweifel daran, dass die urbane Struktur Lobedas einer vergangenen Zeit entsprungen ist, deren Ideologie sie verkörpert. Die Größe der Blocks, das Material und die Farbgebung, die Blickführung zwischen den Gebäuden ebenso wie die bauliche Grundstruktur des Viertels zielen auf Anonymität, Funktionalität, Bescheidenheit und Effizienz ab – ein Heim für eine Masse an Menschen. Lobeda, diese Schlafstadt vor den Toren Jenas, entstand als Ausdruck eines neuen Gesellschaftsideals, in einer Zeit utopischer Gedanken – in einer Zeit, in der Mensch und Maschine als Einheit betrachtet wurden, in einer Zeit, in der groß gedacht wurde.
Eine solche Art des Bauens, solche Art des Gestaltens, solches Verständnis von Architektur findet sich nicht erst in der DDR wieder: Es handelt sich um die Träume moderner Architektur. Träume, an deren Umsetzung das Bauhaus schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts arbeitete – eine Bewegung, die unsere Wirklichkeit seitdem nachdrücklich gestalten sollte. Das Aufkommen der industriell-seriellen Produktion, die Idee eines integrierten Designs, Le Corbusiers Ideale der Modularisierung oder der sogenannten „Wohnmaschinen“, kurzum: die Vorstellung eines globalen Designs / einer globalen Architektur findet sich in den riesigen Wohnanlagen von Lobeda wieder. Löst man diese Gebäude für einen Moment von ihrem negativen Image des billigen und schnell hochgezogenen Massenwohnraums, wird vor allem eines sichtbar: der Wertekanon der Moderne, als Grundstein dieser Archtiektur.
Eben diese Werte werden heute in Frage gestellt. Aktuelle Zukunftsvisionen stellen ein städtisches Leben dar, das die neuen Technologien auf menschliches Maß bringt, für den Einzelnen greif- und nutzbar macht: Wir sehnen uns danach, zu einer Gemeinschaft zu gehören. Wir wollen unsere Umwelt gestalten, wir wollen miteinander in Austausch treten. Wir fordern eine Stadtentwicklung, die nicht mehr allein auf Dichte und Höhe setzt und unsere Umwelt schützt.
Zwischen diesen (oder anderen) Idealvorstellungen einer Stadt der Zukunft und denen der DDR-Geschichte liegen Welten: Eben dieses Spannungsfeld ist es, was Lobeda zu einem optimalen Ort für urbanistische Experimente macht.
Gebaut wird in Lobeda, Jenas größtem Stadtbezirk! Die Stadt liegt am Ufer der Saale und bildet zusammen mit Erfurt und Weimar die Metropolregion Thüringens. Während des Kalten Krieges war Jena als Teil der Deutschen Demokratischen Republik unter sowjetischer Herrschaft.
Durch die boomende Industrie entwickelte sich Neulobeda-West (daneben gibt es noch Neulobeda-Ost und Altlobeda)innerhalb von zwei Jahrzehnten (1966-1986) zur schnellen, günstigen und sozialistischen Lösung für hochwertiges Wohnen. Was damals als moderne Wohngegend im Stile der ostdeutschen Plattenbau-Technologie galt, verlor jedoch nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1989 seinen Charme. Viele wohlhabende Bewohner verließen die Wohnblöcke der Sowjetzeit, um anderswo ihren Traum der Moderne zu leben. Seitdem ist in Lobeda viel passiert! Dank eines Bundesprogramms wurde der Stadtteil massiv an die Lebensbedingungen des 21. Jahrhunderts angepasst. Das Highlight dieser Maßnahme bildet ein 70.000 Quadratmeter großer Park, der die benachbarte Autobahn abdeckt.
Einwohner: 25.401 (111.099 in Jena insgesamt)
Fläche: 3,6 km²
Anzahl der Wohneinheiten: 13.646
Natürliches Wachstum: -0,03% jährlich
Einpersonenhaushalte: 52,4%
Arbeitslosigkeit: 9,7% (deutscher Durchschnitt lag im Jahr 2018 bei 3,3%)
Migrantenbevölkerung: 15,2%